Schauspieler", setzt der Herr von
Voltaire hinzu, "besonders die in der Provinz, spielen die Rolle des
Essex gar zu gern, weil sie in einem gestickten Bande unter dem Knie und
mit einem grossen blauen Bande ueber die Schulter darin erscheinen koennen.
Der Graf ist ein Held von der ersten Klasse, den der Neid verfolgt: das
macht Eindruck. Uebrigens ist die Zahl der guten Tragoedien bei allen
Nationen in der Welt so klein, dass die, welche nicht ganz schlecht sind,
noch immer Zuschauer an sich ziehen, wenn sie von guten Akteurs nur
aufgestutzet werden."
Er bestaetiget dieses allgemeine Urteil durch verschiedene einzelne
Anmerkungen, die ebenso richtig als scharfsinnig sind und deren man sich
vielleicht, bei einer wiederholten Vorstellung, mit Vergnuegen erinnern
duerfte. Ich teile die vorzueglichsten also hier mit; in der festen
Ueberzeugung, dass die Kritik dem Genusse nicht schadet und dass diejenigen,
welche ein Stueck am schaerfesten zu beurteilen gelernt haben, immer
diejenigen sind, welche das Theater am fleissigsten besuchen.
"Die Rolle des Cecils ist eine Nebenrolle, und eine sehr frostige
Nebenrolle. Solche kriechende Schmeichler zu malen, muss man die Farben
in seiner Gewalt haben, mit welchen Racine den Narcissus geschildert hat.
Die vorgebliche Herzogin von Irton ist eine vernuenftige, tugendhafte
Frau, die sich durch ihre Liebe zu dem Grafen weder die Ungnade der
Elisabeth zuziehen, noch ihren Liebhaber heiraten wollen. Dieser
Charakter wuerde sehr schoen sein, wenn er mehr Leben haette, und wenn er
zur Verwickelung etwas beitruege; aber hier vertritt sie bloss die Stelle
eines Freundes. Das ist fuer das Theater nicht hinlaenglich.
Mich duenket, dass alles, was die Personen in dieser Tragoedie sagen und
tun, immer noch sehr schielend, verwirret und unbestimmt ist. Die
Handlung muss deutlich, der Knoten verstaendlich und jede Gesinnung plan
und natuerlich sein: das sind die ersten, wesentlichsten Regeln. Aber was
will Essex? Was will Elisabeth? Worin besteht das Verbrechen des Grafen?
Ist er schuldig, oder ist er faelschlich angeklagt? Wenn ihn die Koenigin
fuer unschuldig haelt, so muss sie sich seiner annehmen. Ist er aber
schuldig: so ist es sehr unvernuenftig, die Vertraute sagen zu lassen,
dass er nimmermehr um Gnade bitten werde, dass er viel zu stolz dazu sei.
Dieser Stolz schickt sich sehr wohl fuer einen tugendhaften unschuldigen
Helden, aber fuer keinen Mann, der des Hochverrats ueberwiesen is
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