uneigung und weckte seinen Gerechtigkeitssinn,
der ihm sagte: wenn selbst den von dem grossen Weltgeist regierten, und
in den himmlischen Hoehen kreisenden Sonnen, Planeten und Monden Maengel
anhafteten, erst recht den, von demselben Schoepfer geschaffenen
Kreaturen, die sich Menschen nannten, winzige Unvollkommenheiten eigen
und nachzusehen seien.
Wie Ileisa die Klugheit, die Nuechternheit, den Ordnungssinn und den wenn
auch zur Zeit falschen Zielen nachjagenden Ehrgeiz ihres Mannes
schaetzte, wie sie sich an seinen gelegentlichen, besseren Launen wieder
von seiner Herzenskaelte aufzurichten suchte, so auch Alfred an der
liebenswuerdigen Gemuetsrichtung seiner Frau.
Und es wuerden sich diese beiden Ehen, wie so viele tausende andere, die
im Grunde nicht gluecklich sind, wohl miteinander ein- und ausgelebt
haben, wenn nicht Ereignisse eingetreten waeren, die so stark auf die
Mitglieder eingewirkt haetten, dass ihr Wille und ihre Fertigkeit daran
gescheitert waeren.
* * * * *
Alfred von Klamm befand sich bei seiner Mutter; sie hatte ihn gebeten,
sie zu besuchen. Sie wohnte noch in der Kurfuerstenstrasse, in der damals
von Klamm gemieteten Etage, war wieder hergestellt und nahm an allem,
was ihren Sohn und ihre Schwiegertochter betraf, den lebhaftesten
Anteil. Sie wuenschte ihn zu sprechen, weil sich Adelgunde wieder einmal
an sie gewandt hatte, um ihre bei ihrem Manne auf Widerstand stossenden
Plaene durchzusetzen. Er war fast niemals dazu zu bewegen, an den
Premieren im Theater teilzunehmen. Nur wenn er selbst einmal eine Kritik
ueber ein neues Stueck, oder ueber die Leistungen eines Kuenstlers auf
anderem Gebiet schreiben wollte, trat seine Abneigung zurueck, grade dann
einem oeffentlichen Konzert oder einer Ausfuehrung beizuwohnen. Fuer
Adelgunde hatte aber just die Teilnahme an den ersten Vorstellungen den
allergroessten Reiz. Sie konnte sehen und konnte gesehen werden.
Das Publikum, das fuer ein Opernplatzbillet bei Gelegenheit des
Erscheinens einer Beruehmtheit fuenfzig bis hundert Mark bezahlte, war
dasjenige, was ihr gefiel, mit dem sie sich gleichgestimmt fuehlte.
Adelgunde steckte sich in solchen und anderen, mit ihrer Eitelkeit
zusammenhaengenden Faellen hinter Frau von Klamm, und die gab sich auch in
ihrer Herzensguete dazu her, Alfred zuzureden, seiner Frau
entgegenzukommen.
Und oft gelang's ihr auch; aus Gutherzigkeit willigte er ein. Neuerdings
hatte sich Adelg
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