berschritten weit die
Schranken, in welchen sich holde Weiblichkeit bewegt. Das Bewusstsein, dass
mit ihrer Hand zugleich die hoechste Stellung im Reich, vielleicht die
Krone selbst, wuerde vergeben werden, machte sie eben auch nicht
bescheidener: und ihre tiefste, maechtigste Empfindung war jetzt nicht mehr
der Wunsch, Mann zu sein, sondern die Ueberzeugung, dass sie, das Weib,
allen Aufgaben des Lebens und des Regierens so gut wie der begabteste
Mann, besser als die meisten Maenner, gewachsen, dass sie berufen sei, das
allgemeine Vorurteil von der geistigen Unebenbuertigkeit ihres Geschlechts
glaenzend zu widerlegen.
Die Ehe des kalten Weibes mit Eutharich, einem Amaler aus andrer Linie,
einem Mann von hohen Anlagen des Geistes und reichem Gemuet, war kurz -:
Eutharich erlag nach wenigen Jahren einem tiefen Leiden - und wenig
gluecklich. Nur mit Widerstreben hatte sie sich ihrem Gatten gebeugt. Als
Witwe atmete sie stolz auf. Sie brannte vor Ehrgeiz, dereinst als
Vormuenderin ihres Knaben, als Regentin jene ihre Lieblingsidee zu
bewaehren: sie wollte so regieren, dass die stolzesten Maenner ihre
Ueberlegenheit sollten einraeumen muessen. Wir haben gesehen, wie die
Erwartung der Herrschaft diese kalte Seele sogar den Tod ihres grossen
Vaters ziemlich ruhig hatte ertragen lassen.
Sie uebernahm das Regiment mit hoechstem Eifer, mit unermuedlicher
Thaetigkeit. Sie wollte alles selbst, alles allein thun.
Sie schob ungeduldig den greisen Cassiodor zur Seite, der ihrem Geist
nicht rasch und kraeftig genug Schritt hielt. Keines Mannes Rat und Hilfe
wollte sie dulden.
Eifersuechtig wachte sie ueber ihre Alleinherrlichkeit. Und nur Einem ihrer
Beamten lieh sie gern und haeufig das Ohr; demjenigen, der ihr oft und laut
die maennliche Selbstaendigkeit ihres Geistes pries und noch oefter dieselbe
still zu bewundern, der den Gedanken, sie beherrschen zu wollen, gar nie
wagen zu koennen schien: sie traute nur Cethegus. Denn dieser zeigte ja nur
den Einen Ehrgeiz, alle Gedanken und Plaene der Koenigin mit eifriger Sorge
durchzufuehren. Nie trat er, wie Cassiodor oder gar die Haeupter der
gotischen Partei, ihren Lieblingsbestrebungen entgegen; er unterstuetzte
sie darin: er half ihr, sich mit Roemern und Griechen umgeben, den jungen
Koenig moeglichst von der Teilnahme am Regiment ausschliessen, die alten
gotischen Freunde ihres Vaters, die, im Bewusstsein ihrer Verdienste und
nach alter Gewohnheit, sich manches freie und derbe
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