dem Niedrigsten sich begnuegt. Der kranke Adler, dessen Schwingen
gelaehmt sind, und die selbstgenuegsame Taube![276]
Mit wenigen, aber kraeftigen Strichen hat der Dichter das Bild des
kleinen Gelehrten hingeworfen, dem gegenueber das Fausts um so heller
strahlt. Er scheint uns der Typus des kleinen Gelehrten ueberhaupt zu
sein, obwohl er ganz mit den Farben des 18., keines Falls des 16.
Jahrhunderts gemalt ist. Einzelne Zuege boten sich Goethe allenthalben
da, selbst bei den Angesehensten der Zeit. Er vereinigte sie zu einem
Bilde. So entstand Wagner, der trockene Schwaermer, der sich ohne
Begeisterung fuer alles, was in der Wissenschaft Mode geworden ist,
begeistert[277], "ein Typus von der Fruchtteuerung und dem Kleingeist
des Jahrhunderts[278]", einer von denen, "quibus peiore ex luto finxit
praecordia Titan[279]," einer jener unselbstaendigen, dabei eingebildeten
Koepfe, die ueberall stoppelnd und Nachlese haltend, ihr Unwesen trieben,
vom Schlage jenes Giesser Professors Chr. H. Schmid, den einst Herder in
einer Rezension zusammengehauen[280], den Goethe bei seinem Besuche in
Giessen so ergoetzlich verspottet[281] und auch im Jahrmarktsfest
mitgenommen hatte[282]. Doch fehlen bei Goethe alle individuellen
Beziehungen; er hat ein allgemeines Zeitbild geschaffen, waehrend Maler
Mueller in dem Zerrbild des Magister Knellius mehr einzelne, allerdings
niedrigste und gemeinste Zuege verwendet und vielleicht in der That auch
dabei an Schmid gedacht hat[283]. Goethes Freunde aber, die den Faust
schon in Frankfurt kennen gelernt hatten, haben wohl, besonders da
Goethe ueber die Freuden des jungen Werthers sehr ungehalten war, bei
Wagner auch an Nicolai gedacht.
Entstehungszeit der Wagnerscene.
Die Frage nach der Entstehung dieser Scene ist im allgemeinen schon
durch die vorhergegangene Eroerterung beantwortet. Es kann danach kein
Zweifel sein, dass die in dem Kampfesjahre von 1772 gewonnene lebendige
Erfahrung die Farbe zu dem Bilde geliefert hat, was der Dichter, auch
hier noch streitend, von der Gelehrsamkeit der Zeit entworfen hat[284].
Damit ist diese Scene in eine Reihe gestellt mit den ausgefuehrten
Satiren, die meist in der Nachwirkung des Kampfes von 1772 noch aus
jener Streitlaune heraus und unter dem Einfluss Herderischen Humors
entstanden sind. Wir sind demnach von selbst auf die Jahre 1773 und 1774
hingewiesen. Es fragt sich also, ob in der Scene bestimmte Beziehungen
enthalten seien, die den Ausschla
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