noch mehr verkuensteln.
Das Eigenschaftswort kraus gebraucht der junge Goethe ebenfalls
haeufiger; so in seiner Rezension ueber Sandrart, wo er vom ueppigen
Auswuchs krauser Diction spricht;[301] im Faust V. 329 (in der alten
Fassung der Schuelerscene): Aber sieht drin so bunt und kraus------das
Compositum krausborstig in der Baukunst: und so graute mirs--vom Anblick
eines missgeformten kr. Ungeheuers;[302] vorher ist die Rede von dem
gedrechselten Puppen- und Bilderwerk, von abenteuerlichen Schnoerkeln und
erdrueckenden Zierart, was er dann alles in jenen Worten zusammenfasst.
Kraeuseln bedeutet also etwas schnoerkelhaft, kuenstlich aufputzen und
verzieren; es ist dem Klaren, Einfachen entgegengesetzt, wie etwa die
Kunst der Gothik oder des Rokkoko der stillen Einfalt des Altertums.
"Und es ist doch nichts wahr als was einfaeltig ist;" schreibt Goethe
schon am 13. Februar 1769 an Fr. Oeser[303]. Bei der Wendung Schnitzel
kraeuseln haben wir also die Vorstellung, die den ganzen ersten Teil der
Scene durchzieht, dass etwas Inhaltleeres aeusserlich kuenstlich aufgeputzt
werde, um damit die Augen der Menschen zu bestechen[304]. Das Goethische
Bild ist also denn doch von dem Herders verschieden; die Aehnlichkeit
kommt nur daher, dass es aus dem gleichen Gedankenkreise hervorgegangen
ist, der sich bei seinem geistigen Zusammengehoeren auch aehnlicher
Wendungen und Bilder bediente. So findet sich z.B. in dem Entwurfe zu
den Provinzialblaettern, den Goethe gewiss nicht gelesen hat, eine Stelle,
die an V. 175 ff. = 528 ff. deutlich anklingt: "Akteurs sollen Prediger
und koennen nie sein; oder sie sind das schlechteste, laecherlichste Ding
unter der Sonne, und unter keiner Sonne, wenn in die Kirche und auf das
Theater keine Sonne scheint. Theaterillusion ist so etwas ganz
anderes--doch was gehoert das hierher, fuer den der die Sache etwas naeher
erwogen?"[305] Solche grundsaetzliche Anschauungen hatte aber Goethe von
Herder oft genug ausgesprochen und auch durch die That bestaetigt
gehoert[306].
Auch Beziehungen zu der kleinen, mit den Provinzialblaettern gleichzeitig
erschienenen, Schrift: Auch eine Philosophie u.s.w. sind nicht so
ueberzeugend, dass sie viel beweisen koennten. Der Geist, der in ihr weht,
ist auch schon in frueheren Schriften Herders zu erkennen und war auch
wohl im muendlichen Austausch der Gedanken zum Ausdruck gekommen.
Suphan[307] hat aus der erwaehnten Schrift zu V. 222 f. = 575 f. die
Stelle angezogen:
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