ritt der Reise
zwischen Goethe und den beiden Grafen Stolberg abspielte[452]. Einer von
ihnen, Fritz Stolberg, war dazu in aehnlicher Lage wie Goethe;[453] auch
er konnte also zu dem komischen Bilde Siebels beisteuern. Der
burschikose Ton, der unter ihnen geherrscht haben muss, ist uns noch
heute vernehmbar, wenn wir den Brief vom 4. Oktober 1775 lesen, den
Goethe nach der Reise an Fr. L. von Stolberg und Genossen geschrieben
hat[454]. Merck hatte ihn vorher gewarnt und gar manchmal bildete er
sich ein, der Darmstaedter Freund zupfe ihn am Kragen[455]. Der Dichter
brauchte also nur den Ton ihres gemeinsamen Treibens etwas niedriger zu
stimmen, die Farbe etwas derber aufzutragen; auch Erinnerungen an
studentisches Unwesen, wie er es selbst, zuletzt noch im Sommer 1772 in
Giessen, gesehen hatte, moegen Anteil an unserer Scene haben; auch darueber
hatte Merck bekanntlich seinen groessten Abscheu bezeugt[457].
Ueber die Entstehungszeit der Scene besteht demnach kein Zweifel. Sie
gehoert in die zweite dramatische Epoche des jungen Goethe der
Frankfurter Jahre. Shakespeares Geist schwebt ueber ihr; wir spueren die
Naehe des Egmont, der sich damals ebenfalls bildete. Sie zeigt uns den
Uebergang von dem Vers der satirischen Dialoge zu der Prosa dramatisch
bewegter Handlung, fuer die der Dichter erst spaeter die entsprechende
metrische Form fand. Die Scene ist jedenfalls nach der Schweizerreise
gedichtet mit grosser Wahrscheinlichkeit im September 1775. Es ist darum
ganz entsprechend, den 17. September als den Tag ihrer Entstehung
anzunehmen, obwohl der Beweis dafuer nicht mit voelliger Sicherheit
erbracht werden kann. Man koennte vielleicht einwenden, die Lieder auf
die sich die Zeitberechnung vor allem stuetzt, seien vor der Ausbildung
der Scene selbst gedichtet; aber dann waere das Rattenlied im September
verfasst, und die Scene koennte dann nicht viel spaeter entstanden sein.
Voellig verkehrt waere aber anzunehmen, die Lieder seien etwa nachtraeglich
in die Scene eingetragen worden; denn die beiden ersten Teile derselben
verlangen von Anfang an durchaus die Lieder und verloeren ohne sie ihren
inneren Zusammenhang[458].
Nach alledem sind wir zu der Annahme berechtigt, dass die Scene in
Auerbachs Keller im September 1775, vielleicht in der Morgenfruehe des
17. September vom Dichter mit rascher, gluecklicher Hand hingeworfen sei.
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FUSSNOTEN:
[212] Vergl. meine Doktordissertation
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