nette vor den Ausgaben
plattdeutscher Lexika paradiren?--Taeuscht euch nicht, sie ist noch immer
die Sprache des sechszehnten Jahrhunderts und schleppt die gebrochenen
Ketten sichtbar mit sich umher, und pfluegt und ackert jeden Fruehling und
jeden Herbst den alten Grimm in die alten Furchen hinein. O sie ist
schrecklich treu, schrecklich dumm und gemuethlich; aber lasst euch sagen,
sie hat wenig Religion, nur sehr wenig und sie kennt, wenn sie wild
wird, den Teufel besser als den lieben Gott. Worueber ihr euch nicht sehr
zu verwundern habt; denn als sie katholisch war, da war das
Christenthum, die Messe naemlich, lateinisch und als sie lutherisch
wurde, wurde das Christenthum, Predigt und Katechismus hochdeutsch.
Bedenkt auch nur, betet denn gegenwaertig ein einziger Bauer oder
Bauernknecht das Vaterunser und den Glauben in der Sprache, worin er
seinen Gevatter bewillkommt, im Kruge Schnaps und Bier fordert oder dem
Steuereinnehmer einen derben Fluch zwischen den Zaehnen hinterherschickt?
Wahr ist es also, diese Sprache hat nichts gelernt, allein sie hat auch
_nichts vergessen_, es sei denn ihre alten Lieder, ihren froehlichen
Gesang und eben das Vaterunser, das sie frueher doch, wie ich glaube, hat
beten koennen.
Nehmt euch ein Bild zu Herzen, das ich euch,--das ich Allen vorhalte.
Eine Sprache, die stagnirt, ist zu vergleichen mit einem See, dem der
bisherige Quellenzufluss versiegt oder abgeleitet wird. Aus dem Wasser,
worueber der Geist Gottes schwebte, wird Sumpf und Moder, worueber die
unreinen Geister brueten. Der Wind mag wehen woher er will, er gleitet
spurlos ueber die stuermisch gruene Decke hin Der Himmel ist blau und
heiter oder stuermisch gefaerbt, das ruehrt ihn nicht, keine Sonne keine
Wolke spiegelt sich mehr auf der trueben Flaeche. Bild der
Unzufriedenheit, der Gleichgueltigkeit, der Tuecke, der Gefahr. Wehe dem
Mann, _der im Trueben fischen will_ und ausgleitet--was helfen ihm
ruestige Arme, Schwimmkunst, er versinkt, er erstickt im tauben Schlamm.
Die Sprache ist das Volk.
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Ja wohl, die Sprache ist das Volk und es gab eine Zeit wo das
niedersaechsische Volk und die niedersaechsische Sprache poetisch waren.
Das ist sehr lange her, die Zeit war heidnisch und der Germane von
Poesie, Muth, Stolz und Freiheit durchdrungen. Die kuehnsten Gedichte aus
dieser "rauhen Vorzeit," wenn gleich schon vom Duft der Klostermauern
angewittert und durch Moenchsfedern
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