e ich die schwere Kette fallen, es fehlt ihr so mancher Ring, dessen
Ergaenzung ich dem Geschichtforscher ueberlasse.
Wie konnte, bei einer solchen Zahl und Reihe von Schicksalen der
niedersaechsische Stamm gedeihen, wie konnte sich eine eigentuemliche
Literatur unter ihm geltend machen[3], wie konnte die Volkssprache
selbst sich der Entwuerdigung und Verschlechterung entziehen? Auf welcher
Bildungsstufe muesste die neuere Zeit Volk und Sprache antreffen, wie tief
unter der noethigsten Fassungskraft, wie selbst ohne Ahnung dessen, was
zur Begruendung und Sicherung eines verbesserten Staatslebens
elementarisch vorauszusetzen?
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Allein, hoere ich Jemand einwerfen, wenn auch die plattdeutsche Sprache
ganz dem Bilde gleicht, das du von ihr entworfen, wenn sie _selbst_ auch
unfaehig ist, Element der Volksbildung zu sein, so erwartet eigentlich
auch Niemand dieses Geschaeft von ihr, das ja von der allgemein
verbreiteten und verstandenen hochdeutschen Sprache laengst uebernommen
und verwaltet wurde.
Antwort: uebernommen aber nicht verwaltet. Damit behauptet man einen
Widerspruch gegen alle Vernunft und Erfahrung. _Selbst die allgemeinste
Erlernung und Verbreitung der hochdeutschen Sprache uebt so lange gar
keinen oder selbst nachteiligen Einfluss auf die Volksbildung, als neben
ihr Plattdeutsch die Sprache des gemeinen Lebens bleibt._
Allerdings wird die hochdeutsche Sprache als Organ der Volksbildung
ueberall in Niedersachsen angewendet. Es gibt wol wenig Doerfer, wo die
Jugend nicht Gelegenheit findet, das Hochdeutsche ein wenig verstehen,
ein wenig sprechen, ein wenig lesen und ein wenig schreiben zu lernen.
Die Leute muessen wol. Amtmann, Pfarrer, Bibel, Gesangbuch, Katechismus,
Kalender sprechen hochdeutsch. Ohnehin sind die Kinder schulpflichtig
und beim Hobeln setzt es Spaehne ab.
Allein, Jedermann weiss, plattdeutsch bleibt ihr Lebenselement. Das
sprechen sie unter sich, zu Hause, im Felde, vor und nach der Predigt.
Das kommt ihnen aus dem Herzen, dabei fuehlen sie sich wohl und
vergewissern sich, dass sie in ihrer eigenen Haut stecken, was ihnen,
sobald sie hochdeutschen, sehr problematisch wird.
Der erste Schulgang macht in der Regel auch die erste Bekanntschaft mit
der hochdeutschen Sprache. Mit Haenden und Fuessen straeubt sich der Knabe
dagegen. Ich bedaure ihn, er soll nicht bloss seine bisherige Freiheit
verlieren, unter die Zuchtruthe treten, buchstabiren ler
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