nung von ihm fassen! Er wusste sich so einzuschmeicheln, dass
wir die abfaelligen Urteile anderer bloss als Neid und Missgunst ansahen,
als das Ergebnis seines haeufig schroffen Wesens und seiner gelegentlich
hervorbrechenden jaehzornigen Natur. Gewiss, ich weiss, Sie warnten mich.
Aber er hatte damals meine Sinne bereits gefangen. Ich bin jung, ich bin
ein Weib und habe Fleisch und Blut--"
Die Frau brach ploetzlich ab und starrte vor sich hin, und dann sagte sie
als Resultat ihrer raschen Ueberlegungen, aber auch so, als habe ein
Vorgespraech darueber stattgefunden: "Ja, das waere eine Moeglichkeit, dass
wir, ohne geschieden zu werden, getrennt weiter lebten, jeder fuer sich.
Nun ja denn--ich will's versuchen, so lange es geht," schloss sie, dumpf
resigniert. "Dann koennen die Eltern bleiben, und gerade sie sollen
bleiben, 'er' mag sich von uns separieren."
Da die Gedanken der Frau solche Wendung genommen, sprach Hederich noch
eindringlicher auf sie ein, bat, dass sie sich beruhigen moege, und gab
auch, um zum guten zu reden, seiner Verwunderung Ausdruck, dass sie so
ploetzlich zu einer solchen Stellung Tankred gegenueber gelangt sei.
"Nicht ploetzlich, Hederich. Ich habe mich nur rasch zu einem Entschluss
aufgerafft," entgegnete sie mit einer eigentuemlichen Weichheit im Ton.
"Und wissen Sie nicht, dass mir schon waehrend meiner Verlobung bisweilen
Zweifel kamen, dass ich fuehlte, es sei doch vielleicht nicht das Rechte,
dass ich aeusserte, ich brauche einen Mann, der mein bischen Herz foerdere,
statt die guten Regungen in mir zu ersticken!? Gewiss, ich hatte
zeitweilig alle Sehkraft verloren, waehrend unserer langen Reise fast
ganz, aber die letzten Gespraeche mit Mama, zusammen mit allen Vorgaengen,
brachten mich zum Nachdenken und zur Besinnung, und mir schauderte vor
dem Bild, das sie mir von mir selbst und von ihm rueckhaltlos entrollte.
Das Gefuehl fuer Recht und Wahrheit begann sich in mir zu regen; ich
konnte meinen Mann ploetzlich nicht sehen; ueber alles, was er that und
sagte, stieg Aerger und Unmut, oft Ekel in wir auf, weil ich alles
berechnend, unwahr, falsch fand; mir graute, wenn er mich beruehrte, und
meine Gelassenheit und Ruhe waren schon laengst kuenstlich oder ein
Ergebnis der letzten noch vorhandenen Regungen fuer ihn."
Waehrend Grete diese Worte sprach, erschien die Wirtschafterin und
ueberbrachte ein Schreiben. Es sei im Schloss abgegeben; Peter habe es
heruebergebracht; der Bote von Fals
|