mal in diesem
Palaste befinden. Wir muessen uns also schon nach dem Geschmacke eines
Volks richten, welches sich an Meisterstuecken sattgesehen hat und also
aeusserst verwoehnt ist." Was heisst dieses anders, als: "Mein Herr Marquis,
Ihr Stueck hat sehr, sehr viel kalte, langweilige, unnuetze Szenen. Aber
es sei fern von mir, dass ich Ihnen einen Vorwurf daraus machen sollte!
Behuete der Himmel! ich bin ein Franzose; ich weiss zu leben; ich werde
niemanden etwas Unangenehmes unter die Nase reiben. Ohne Zweifel haben
Sie diese kalten, langweiligen, unnuetzen Szenen mit Vorbedacht, mit allem
Fleisse gemacht; weil sie gerade so sind, wie sie Ihre Nation braucht. Ich
wuenschte, dass ich auch so wohlfeil davonkommen koennte; aber leider ist
meine Nation so weit, so weit, dass ich noch viel weiter sein muss, um
meine Nation zu befriedigen. Ich will mir darum eben nicht viel mehr
einbilden, als Sie; aber da jedoch meine Nation, die Ihre Nation so sehr
uebersieht"--Weiter darf ich meine Paraphrasis wohl nicht fortsetzen;
denn sonst,
Desinit in piscem mulier formosa superne:
aus der Hoeflichkeit wird Persiflage (ich brauche dieses franzoesische
Wort, weil wir Deutschen von der Sache nichts wissen), und aus der
Persiflage dummer Stolz.
----Fussnote
[1] Je n'ai pu me servir, comme Mr. Maffei, d'un anneau, parce que
depuis l'anneau royal dont Boileau se moque dans ses satyres, cela
semblerait trop petit sur notre theatre.
[2] Je n'oserais hazarder de faire prendre un heros pour un voleur,
quoique la circonstance ou il se trouve autorise cette meprise.
----Fussnote
Zweiundvierzigstes Stueck
Den 22. September 1767
Es ist nicht zu leugnen, dass ein guter Teil der Fehler, welche Voltaire
als Eigentuemlichkeiten des italienischen Geschmacks nur deswegen an
seinem Vorgaenger zu entschuldigen scheinet, um sie der italienischen
Nation ueberhaupt zur Last zu legen, dass, sage ich, diese, und noch
mehrere, und noch groessere, sich in der "Merope" des Maffei befinden.
Maffei hatte in seiner Jugend viel Neigung zur Poesie; er machte mit
vieler Leichtigkeit Verse, in allen verschiednen Stilen der beruehmtesten
Dichter seines Landes: doch diese Neigung und diese Leichtigkeit beweisen
fuer das eigentliche Genie, welches zur Tragoedie erfodert wird, wenig oder
nichts. Hernach legte er sich auf die Geschichte, auf Kritik und
Altertuemer; und ich zweifle, ob diese Studien die rechte Nahrung fuer das
tragische Genie sind. E
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