haupten, dass, auch wenn sie allein auf der Welt waeren, ohne jeglichen
feindseligen Einfluss von aussen her, sie dennoch, wie jetzt ihre
Entwickelung oder wohl besser ihre Verhaertung ist, nach und nach
langsam vergehen und erloeschen wuerden. Denn nichts ist der menschlichen
Natur, die so sehr auf Wechselbeziehung zwischen Leib und Seele
gegruendet ist, schaedlicher, als eine solche Unthaetigkeit beider.
Ein dritter Zug ihres Charakters, der uns hier naeher angeht, ist eine
gewisse Melancholie, die sich, wie bekannt, zumeist bei den Amerikanern
findet. Doch auch die scheinbar so froehlichen Polynesier, wenn man
gleich ihr Temperament nicht wie das der Amerikaner melancholisch nennen
kann, zeigen manches Entsprechende. So resigniren sich die Tahitier ueber
ihr Aussterben durch den oft wiederholten Ausspruch, den wohl Ellis (1,
103-104) zuerst mittheilte: der Hibiskus soll wachsen, die Koralle sich
ausbreiten, der Mensch aber dahinsterben; und "es war melancholisch,
sagt Darwin (2, 213), die schoenen energischen Eingeborenen Neuseelands
sagen zu hoeren, sie wuessten, dass das Land nicht das Eigenthum ihrer
Kinder bleiben wuerde." Fuer Kamtschatka ist wichtig, was v. Kittlitz ueber
das Klima dieses Landes sagt, das bald (oder Einzelne) zur tiefsten
Melancholie stimme, bald (oder Andere) zur hoechsten excentrischsten
Freude aufrege. Die Schilderungen der Aleuten bei Kotzebue, Chamisso,
Langsdorff u.a. enthalten ganz aehnliche Zuege von Niedergeschlagenheit,
die allerdings hier mit grossem Phlegma gepaart scheint.
Es ist klar, dass diese Melancholie mit jener schon besprochenen
Traegheit zusammenhaengt; denn diese raubt dem Geist der Naturvoelker, der
nach aller Naturvoelker Art ganz und gar vom jedesmaligen sinnlichen
Eindruck und meist nur von solchen abhaengig ist, die besonnene und feste
Willens- und Widerstandskraft immer mehr. So wie nun aber jeder
Willensakt eine rein physische Nerventhaetigkeit voraussetzt, so wird
auch fortgesetztes Nichtwollen zum bleibenden Nervenhabitus, zum nicht
Wollenkoennen und dadurch vom uebelsten Einfluss auf die Seele, der, wenn
dieser letzteren Leiden entgegentreten, um so groesser und vernichtender
wird.
Das zeigt sich nun schon bei den Naturvoelkern im Leben der Individuen.
Wir sahen, dass Krankheiten ueberall als Bezauberung oder Einwirkung von
Daemonen gelten; viele aber, die von Krankheiten befallen sind, sterben
aus keinem andern Grund, als aus Melancholie ueber die vermeintl
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