le nicht mehr schaedlich als
zutraeglich sein soll. Auch hat er zu geflissentlich schoene Stellen aus
den Alten nachzuahmen gesucht, ohne zu unterscheiden, aus was fuer einer
Art von Werken er sie entlehnt und in was fuer eine Art von Werken er sie
uebertraegt. Nestor ist in der Epopee ein gespraechiger freundlicher Alte;
aber der nach ihm gebildete Polydor wird in der Tragoedie ein alter ekler
Salbader. Wenn Maffei dem vermeintlichen Plane des Euripides haette folgen
wollen: so wuerde uns der Literator vollends etwas zu lachen gemacht
haben. Er haette es sodann fuer seine Schuldigkeit geachtet, alle die
kleinen Fragmente, die uns von dem Kresphontes uebrig sind, zu nutzen und
seinem Werke getreulich einzuflechten.[2] Wo er also geglaubt haette, dass
sie sich hinpassten, haette er sie als Pfaehle aufgerichtet, nach welchen
sich der Weg seines Dialogs richten und schlingen muessen. Welcher
pedantische Zwang! Und wozu? Sind es nicht diese Sittensprueche, womit man
seine Luecken fuellet, so sind es andere.
Demohngeachtet moechten sich wiederum Stellen finden, wo man wuenschen
duerfte, dass sich der Literator weniger vergessen haette. Z.E. Nachdem die
Erkennung vorgegangen und Merope einsieht, in welcher Gefahr sie zweimal
gewesen sei, ihren eignen Sohn umzubringen, so laesst er die Ismene voller
Erstaunen ausrufen: "Welche wunderbare Begebenheit, wunderbarer, als sie
jemals auf einer Buehne erdichtet worden!"
Con cosi strani avvenimenti uom' forse
Non vide mai favoleggiar le scene.
Maffei hat sich nicht erinnert, dass die Geschichte seines Stuecks in eine
Zeit faellt, da noch an kein Theater gedacht war; in die Zeit vor dem
Homer, dessen Gedichte den ersten Samen des Drama ausstreuten. Ich wuerde
diese Unachtsamkeit niemanden als ihm aufmutzen, der sich in der Vorrede
entschuldigen zu muessen glaubte, dass er den Namen Messene zu einer Zeit
brauche, da ohne Zweifel noch keine Stadt dieses Namens gewesen, weil
Homer keiner erwaehne. Ein Dichter kann es mit solchen Kleinigkeiten
halten, wie er will; nur verlangt man, dass er sich immer gleichbleibet
und dass er sich nicht einmal ueber etwas Bedenken macht, worueber er ein
andermal kuehnlich weggeht; wenn man nicht glauben soll, dass er den Anstoss
vielmehr aus Unwissenheit nicht gesehen, als nicht sehen wollen.
Ueberhaupt wuerden mir die angefuehrten Zeilen nicht gefallen, wenn sie auch
keinen Anachronismus enthielten. Der tragische Dichter sollte alles
vermeide
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