Falle das Auftreten des Koenigs von Abessinien nicht so gar schrecklich
erscheinen, zumal wenn man - was ungerecht waere - diesen nicht mit
europaeischem Massstabe misst.
Die deutschen Handwerker und Missionaere (vergl. S. 136) fingen an, im
Lande Strassen zu bauen; sie besorgten die Reparaturen des koeniglichen
Zeughausmaterials, fertigten Moerser und konstruirten einen Wagen. Letztere
beiden Gegenstaende machten dem Koenige viel Spass, namentlich der blau
angestrichene Wagen, der, in Stuecke zerlegt, auf den Schultern von
Lasttraegern weiter transportirt werden musste, da es an einer fahrbaren
Strasse fehlte. Reibereien und Zerwuerfnisse mit den Distriktsbeamten hatten
zur Folge, dass die Handwerker 1861 in _Gafat_, drei Viertelstunden von
Debra Tabor auf einem isolirten Huegel, unter Aufsicht eines Offiziers
internirt wurden. Der Koenig berief einen oder den andern an sein Hoflager
und behandelte sie nach wie vor gut. Sie erhielten Ackerland und vom
Gouverneur in Debra Tabor Getreide, Vieh, Honig. "Diese Europaeer",
schreibt v. Heuglin, "wollen sich in manchen Verhaeltnissen ueber gewisse
Formen und Landessitten wegsetzen, was zu vielen Unannehmlichkeiten Anlass
gegeben hat." Dass man aber dergleichen in Abessinien so wenig duldet, wie
in Europa, ist vollkommen in der Ordnung. Noch mehr Anlass zur
Unzufriedenheit gaben die beiden zum Protestantismus uebergetretenen Juden
_Heinrich Stern_ und _Rosenthal_. Beide waren nur unter der Bedingung
zugelassen worden, sich mit der Bekehrung der Falaschas abgeben zu wollen,
allein sie begannen amharische Bibeln unter den Christen zu vertheilen und
diese zum Abfall von der abessinischen Kirche aufzufordern. Wuethend
hierueber liess der Negus Stern vor sich schleppen, der sich in ziemlich
freier Weise vertheidigte und dabei nachdenklich in den Daumen biss. Diese
unschuldige Geste bedeutet jedoch in Abessinien, dass man ewige Rache gegen
die Person schwoert, in deren Gegenwart man sich befindet. Anfangs fiel
dies dem Koenige nicht auf, als aber Stern, um sich ueber eine Misshandlung
zu beklagen, aufs neue zum Negus kam, die Wachen mit einem Revolver
bedrohend bei Seite schob und den Herrscher aus dem Schlafe stoerend, mit
Reiterstiefeln und Hetzpeitsche zu diesem eindrang, erinnerte sich Theodor
jener Geste und liess den Eindringling aufs grausamste in Ketten werfen und
nur mit rohem Fleisch traktiren. Rosenthal hatte sich schon frueher durch
das Geschenk eines Teppichs missliebig
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