iemlich weite Platz zur Linken
ist leer. Seine zweite Gemahlin konnte unmoeglich sich entschliessen,
ihrer wenn auch toten Nebenbuhlerin im Range zu weichen, sie wollte
durchaus nicht mit der linken Hand vorlieb nehmen, waehrend
ihre Vorgaengerin zur Rechten laege. Noch auf dem Totenbette
war es bis zum letzten Augenblicke die angelegentlichsten Sorge
der rangsuechtigen Frau, solche Unbilde zu verhindern. Sie erreichte
ihren Zweck, man begrub sie anderswohin; niemand weiss, wo ihre
Gebeine ruhen. Das Andenken ihres Lebens waere laengst verschollen,
wenn nicht das ihrer Torheit auf dieser leeren Stelle kommenden
Jahrhunderten aufbewahrt worden waere.
Alle diese Kapellen sind mit der Westminster Abtei unter einem Dache,
nur die letzte und schoenste, die Kapelle Heinrichs des Siebenten,
[Fussnote: Koenig von England 1485-1509)] ist daran angebaut,
so dass nur der Eingang dazu in der Kirche steht.
Dies Gebaeude ist eines der schoensten seiner Zeit, aber leider
sahen wir es in einem unverantwortlich vernachlaessigten Zustande,
mehr noch als die Kirche selbst. Kaum wurde das Dach desselben
notduerftig unterhalten; haette man die langsam zerstoerende Zeit
noch laenger ungehindert fortwueten lassen, so waere bald alles
zu einer schoenen Ruine zusammengesunken, die ueberall sich besser
ausgenommen haben wuerde als an dieser, dem heiligen Andenken
grosser Vorfahren geweihten Stelle. Von aussen ist die Kapelle
mit aller Pracht der gotischen Baukunst geschmueckt, das Ganze
im schoensten Ebenmasse, leicht und erfreulich. Vierzehn schoene
durchbrochene Tuerme sind die Hauptzierde. Zum Eingange, von der
Kirche aus, dient ein praechtiges, in Stein gehauenes Portal,
welches drei sehr kuenstlich gearbeitete Gittertueren von
vergoldetem Eisen verschliessen. Die Decke ist ueber und ueber mit
schoener Bildhauerarbeit von Stein geschmueckt, schoene, gewoelbte
Bogen, unterstuetzt von Pfeilern im reinsten Ebenmasse, praechtige
Fenster, herrliches Schnitzwerk, alle Pracht gotischer Architektur
ist hier zu finden. Unmoeglich kann man dieses schoene Ueberbleibsel
frueherer Zeit zu hoch preisen, und wohl waere es wuenschenswert,
dass die Kapelle einen Freund und Verehrer faende, wie der Dom
von Koeln ihn an dem Herrn von Boisseree fand, [Fussnote: Sulpiz
und Melchior, zwei Brueder, gebuertige Koelner, deutsche Kunstsammler
und -historiker, mit Goethe befreundet. Sulpiz (1783-1854)
vor allem war es, der durch eine Beschreibung die Vollendung
|