verfehlten Geschmack
aufgetuermte Steinmasse. Ungeheuer dicke Mauern, kleine,
spaltenaehnliche Fenster, dicke, unbeholfene Saeulen geben ihr
eher das Ansehen eines Staatsgefaengnisses als der Wohnung einer Koenigin.
Die botanischen Gaerten von Kew vereinigen eine unzaehlige
Mannigfaltigkeit von Pflanzen aller Weltteile, aller Zonen,
und gehoeren gewiss zu den merkwuerdigsten in Europa, wenn sie nicht
vielleicht alle uebrigen uebertreffen. Die ueberall wehende englische
Flagge brachte von den entferntesten Ufern auf diesen kleinen Punkt
fast alles zusammen, was nur auf Erden waechst. Von der Zeder
des Libanons bis herab zum bescheidenen Heidekraut findet alles hier
Pflege, Boden und Klima, wie es sie bedarf, um nicht nur kuemmerlich
zu vegetieren, sondern ueppig zu wachsen, zu gruenen und zu bluehen.
Der Koenig liebte die Botanik, er wandte viel Geld und Muehe
auf diese Gaerten und freute sich ihres Gedeihens. Der beruehmte
Weltumsegler Sir Joseph Banks nahm sie unter seine spezielle Aufsicht,
und seine, in den entferntesten Weltgegenden mit unsaeglicher Muehe
und Gefahr erworbenen botanischen Kenntnisse fanden hier ein weites,
fruchtbares Feld. Auf diese Weise musste etwas sehr Vollkommenes
entstehen. Das durch die waermende Seeluft unendlich gemilderte Klima,
der natuerlich warme Boden Englands tragen das ihrige bei,
um der Anstalt das hoechste Gedeihen zu geben. Hier, wo der Winter
den Wiesen ihren gruenen Teppich nie raubt, wo die Herden das ganze Jahr
hindurch im Freien ihre Nahrung finden, wird jede aus einem milden
Klima hergebrachte Pflanze bald einheimisch. Sehr viele, welche
selbst im suedlichsten Teile von Deutschland den groessten Teil des Jahres
im Hause gehalten werden muessen und nur waehrend der Sommermonate dort
der Luft ausgesetzt werden duerfen, wachsen hier ueppig im Freien,
wie in ihrem Vaterlande, zum Beispiel die grossblaettrige Myrte,
der duftende Heliotrop und noch viele mehr.
Es ist eine grosse Freude, auf den festgewalzten, bequemen Kieswegen
dieser Gaerten zwischen mannigfaltig geformten Blumenbeeten
zu wandeln und sich an dem freundlichen, ewig wechselnden Spiele
der Natur mit Farben und Formen zu ergoetzen; dann in die grossen
Treibhaeuser zu treten, in jedem derselben eine andere neue Welt
zu finden, in dem einen die seltensten Produkte des gluehend heissen
Afrika, im anderen alles zu bewundern, was im suedlichen Amerika
waechst; dann wieder sich an den Pflanzen milderer Zonen zu erfre
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