auch
fortwaehrend reichlich Gebrauch gemacht. Ihre Macht war in der That
unumschraenkt, und nur ueber gewisse, durch Jahrhunderte alte Sitten und
geheiligte Fundamentalordnungen wagten auch sie sich nicht wegzusetzen.
Ein Adel existirte dem Namen nach; doch nur die Mitglieder des koeniglichen
Geschlechtes erschienen bevorzugt, wenn auch die Brueder des Herrschers bis
ins vorige Jahrhundert hinein in Staatsgefaengnissen gehalten wurden, um
keine Intriguen anzetteln zu koennen. Ein besonderes Ministerium gab es
nicht, wohl aber zahlreiche Hof- und Staatsaemter. Welche Rolle die
Gouverneure und Majordomen (Ras) spielten, zu welchem Ansehen sie
gelangten und wie sie ihre Gewalt an Stelle der Koenigsmacht setzten, wurde
bereits gezeigt.
Naechst dem Ras war frueher der maechtigste Gouverneur der von Tigrie, der
den Titel Lika Kahenat (Hoherpriester) und Nabr Id als Hueter der
Bundeslade in Axum fuehrte. Der hoechste Wuerdentraeger ist gegenwaertig der
Herzog oder _Detschasmatsch_ (Dadjazmatsch, Djeaz, Djeatsch, Kasmati). Das
Wort bedeutet eigentlich einen, "der an der Thuere kaempft", um anzudeuten,
dass im koeniglichen Heerlager dieser Wuerdentraeger mit seinen Truppen die
Stelle vor der Thuere des koeniglichen Zeltes hat und sich an die Leibgarde
des Herrschers anschliesst. Auf den Detschasmatsch folgt der _Fit Auri_,
der Fuehrer der Avantgarde. Er zieht mit seinen Truppen dem Heere
rekognoscirend voran und lagert sich zwischen diesem und dem Feinde oder,
wenn kein Feind da ist, in der Vorhut des Lagers. Niedere Wuerdentraeger
sind der Kanjasmatsch, der mit seinen Truppen zur Rechten des koeniglichen
Zeltes lagert, und der Gerasmatsch zur Linken desselben. Neben diesen
kriegerischen Wuerden gab es auch friedliche. Bei Hofe war eine Anzahl
gelehrter Maenner, Lik geheissen, die zusammen eine Art Gerichtshof bildeten
und mit deren Huelfe schwierige Faelle entschieden wurden. Die Justiz war
von der Verwaltung nicht geschieden und das Gesetzbuch _Feta Negust_,
d. h. Richtschnur der Koenige, umfasste das weltliche und kanonische Recht.
[Illustration: Koenig Salomo (abessinische Malerei). Nach Harris.]
Dies ist in kurzen Umrissen die politische Geschichte Abessiniens, die zu
derjenigen der europaeischen Staaten nicht in der geringsten Beziehung
stehen wuerde, waere das Land nicht ein christliches Reich. Gerade aber dem
Christenthum verdankt es das Interesse, welches fuer dasselbe stets im
Abendlande wach war und welches eine
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