en. Von uns", sagt er, "haetten sie lernen koennen, wie Nebenbuhler und
Nebenbuhlerinnen in witzigen Antithesen miteinander sprechen; wie der
Dichter mit einer Menge erhabner, glaenzender Gedanken blenden und in
Erstaunen setzen muesse. Von uns haetten sie lernen koennen"--O freilich;
was ist von den Franzosen nicht alles zu lernen! Hier und da moechte zwar
ein Auslaender, der die Alten auch ein wenig gelesen hat, demuetig um
Erlaubnis bitten, anderer Meinung sein zu duerfen. Er moechte vielleicht
einwenden, dass alle diese Vorzuege der Franzosen auf das Wesentliche des
Trauerspiels eben keinen grossen Einfluss haetten; dass es Schoenheiten waeren,
welche die einfaeltige Groesse der Alten verachtet habe. Doch was hilft es,
dem Herrn von Voltaire etwas einzuwenden? Er spricht, und man glaubt. Ein
einziges vermisste er bei seiner Buehne; dass die grossen Meisterstuecke
derselben nicht mit der Pracht aufgefuehret wuerden, deren doch die
Griechen die kleinen Versuche einer erst sich bildenden Kunst gewuerdiget
haetten. Das Theater in Paris, ein altes Ballhaus, mit Verzierungen von
dem schlechtesten Geschmacke, wo sich in einem schmutzigen Parterre das
stehende Volk draengt und stoesst, beleidigte ihn mit Recht; und besonders
beleidigte ihn die barbarische Gewohnheit, die Zuschauer auf der Buehne zu
dulden, wo sie den Akteurs kaum so viel Platz lassen, als zu ihren
notwendigsten Bewegungen erforderlich ist. Er war ueberzeugt, dass bloss
dieser Uebe1stand Frankreich um vieles gebracht habe, was man, bei einem
freiern, zu Handlungen bequemern und praechtigern Theater, ohne Zweifel
gewagt haette. Und eine Probe hiervon zu geben, verfertigte er seine
"Semiramis". Eine Koenigin, welche die Staende ihres Reichs versammelt, um
ihnen ihre Vermaehlung zu eroeffnen; ein Gespenst, das aus seiner Gruft
steigt, um Blutschande zu verhindern und sich an seinem Moerder zu raechen;
diese Gruft, in die ein Narr hereingeht, um als ein Verbrecher wieder
herauszukommen: das alles war in der Tat fuer die Franzosen etwas ganz
Neues. Es macht so viel Laermen auf der Buehne, es erfordert so viel Pomp
und Verwandlung, als man nur immer in einer Oper gewohnt ist. Der Dichter
glaubte das Muster zu einer ganz besondern Gattung gegeben zu haben; und
ob er es schon nicht fuer die franzoesische Buehne, so wie sie war, sondern
so wie er sie wuenschte, gemacht hatte: so ward es dennoch auf derselben,
vorderhand, so gut gespielet, als es sich ohngefaehr spielen l
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