da ist; es
interessiert uns fuer sich selbst nicht im geringsten. Shakespeares
Gespenst hingegen ist eine wirklich handelnde Person, an dessen
Schicksale wir Anteil nehmen; es erweckt Schauder, aber auch Mitleid.
Dieser Unterschied entsprang, ohne Zweifel, aus der verschiedenen
Denkungsart beider Dichter von den Gespenstern ueberhaupt. Voltaire
betrachtet die Erscheinung eines Verstorbenen als ein Wunder; Shakespeare
als eine ganz natuerliche Begebenheit. Wer von beiden philosophischer
denkt, duerfte keine Frage sein; aber Shakespeare dachte poetischer. Der
Geist des Ninus kam bei Voltairen als ein Wesen, das noch jenseit dem
Grabe angenehmer und unangenehmer Empfindungen faehig ist, mit welchem wir
also Mitleiden haben koennen, in keine Betrachtung. Er wollte bloss damit
lehren, dass die hoechste Macht, um verborgene Verbrechen ans Licht zu
bringen und zu bestrafen, auch wohl eine Ausnahme von ihren ewigen
Gesetzen mache.
Ich will nicht sagen, dass es ein Fehler ist, wenn der dramatische Dichter
seine Fabel so einrichtet, dass sie zur Erlaeuterung oder Bestaetigung
irgendeiner grossen moralischen Wahrheit dienen kann. Aber ich darf sagen,
dass diese Einrichtung der Fabel nichts weniger als notwendig ist; dass
sehr lehrreiche vollkommene Stuecke geben kann, die auf keine solche
einzelne Maxime abzwecken; dass man unrecht tut, den letzten Sittenspruch,
den man zum Schlusse verschiedener Trauerspiele der Alten findet, so
anzusehen, als ob das Ganze bloss um seinetwillen da waere.
Wenn daher die "Semiramis" des Herrn von Voltaire weiter kein Verdienst
haette, als dieses, worauf er sich so viel zugute tut, dass man naemlich
daraus die hoechste Gerechtigkeit verehren lerne, die, ausserordentliche
Lastertaten zu strafen, ausserordentliche Wege waehle: so wuerde "Semiramis"
in meinen Augen nur ein sehr mittelmaessiges Stueck sein. Besonders da diese
Moral selbst nicht eben die erbaulichste ist. Denn es ist ohnstreitig dem
weisesten Wesen weit anstaendiger, wenn es dieser ausserordentlichen Wege
nicht bedarf und wir uns die Bestrafung des Guten und Boesen in die
ordentliche Kette der Dinge von ihr mit eingeflochten denken.
Doch ich will mich bei dem Stuecke nicht laenger verweilen, um noch ein
Wort von der Art zu sagen, wie es hier aufgefuehret worden. Man hat alle
Ursache, damit zufrieden zu sein. Die Buehne ist geraeumlich genug, die
Menge von Personen ohne Verwirrung zu fassen, die der Dichter in
verschiedenen Szenen
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