unsere bessere Einsichten teilende
dramatische Dichter die naemliche Befugnis? Gewiss nicht.--Aber wenn er
seine Geschichte in jene leichtglaeubigere Zeiten zuruecklegt? Auch alsdenn
nicht. Denn der dramatische Dichter ist kein Geschichtschreiber; er
erzaehlt nicht, was man ehedem geglaubt, dass es geschehen, sondern er laesst
es vor unsern Augen nochmals geschehen; und laesst es nochmals geschehen,
nicht der blossen historischen Wahrheit wegen, sondern in einer ganz
andern und hoehern Absicht; die historische Wahrheit ist nicht sein Zweck,
sondern nur das Mittel zu seinem Zwecke; er will uns taeuschen, und durch
die Taeuschung ruehren. Wenn es also wahr ist, dass wir itzt keine
Gespenster mehr glauben; wenn dieses Nichtglauben die Taeuschung notwendig
verhindern muesste; wenn ohne Taeuschung wir unmoeglich sympathisieren
koennen: so handelt itzt der dramatische Dichter wider sich selbst, wenn
er uns demohngeachtet solche unglaubliche Maerchen ausstaffieret; alle
Kunst, die er dabei anwendet, ist verloren.
Folglich? Folglich ist es durchaus nicht erlaubt, Gespenster und
Erscheinungen auf die Buehne zu bringen? Folglich ist diese Quelle des
Schrecklichen und Pathetischen fuer uns vertrocknet? Nein; dieser Verlust
waere fuer die Poesie zu gross; und hat sie nicht Beispiele fuer sich, wo das
Genie aller unserer Philosophie trotzet und Dinge, die der kalten
Vernunft sehr spoettisch vorkommen, unserer Einbildung sehr fuerchterlich
zu machen weiss? Die Folge muss daher anders fallen; und die Voraussetzung
wird nur falsch sein. Wir glauben keine Gespenster mehr? Wer sagt das?
Oder vielmehr, was heisst das? Heisst es so viel: wir sind endlich in
unsern Einsichten so weit gekommen, dass wir die Unmoeglichkeit davon
erweisen koennen; gewisse unumstoessliche Wahrheiten, die mit dem Glauben an
Gespenster im Widerspruche stehen, sind so allgemein bekannt worden, sind
auch dem gemeinsten Manne immer und bestaendig so gegenwaertig, dass ihm
alles, was damit streitet, notwendig laecherlich und abgeschmackt
vorkommen muss? Das kann es nicht heissen. Wir glauben itzt keine
Gespenster, kann also nur so viel heissen: in dieser Sache, ueber die sich
fast ebensoviel dafuer als darwider sagen laesst, die nicht entschieden ist
und nicht entschieden werden kann, hat die gegenwaertig herrschende Art zu
denken den Gruenden darwider das Uebergewicht gegeben; einige wenige haben
diese Art zu denken, und viele wollen sie zu haben scheinen; diese mach
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