se Alter des goettlichen Voltaire die junge Welt beschenkte. Favart
fand es gerade so erbaulich, als die Fabel zu einer komischen Oper sein
muss. Er sahe nichts Anstoessiges darin, als die Namen der Heiligen, und
diesem Anstosse wusste er auszuweichen. Er machte aus Madame Gertrude eine
platonische Weise, eine Anhaengerin der Lehre des Gabalis; und der h.
Bernard ward zu einem Sylphen, der unter dem Namen und in der Gestalt
eines guten Bekannten die tugendhafte Frau besucht. Zum Sylphen ward dann
auch Hilar, und so weiter. Kurz, es entstand die Operette "Isabelle und
Getrude, oder die vermeinten Sylphen", welche die Grundlage zur "Neuen
Agnese" ist. Man hat die Sitten darin den unsrigen naeherzubringen
gesucht; man hat sich aller Anstaendigkeit beflissen; das liebe Maedchen
ist von der reizendsten, verehrungswuerdigsten Unschuld; und durch das
Ganze sind eine Menge gute komische Einfaelle verstreuet, die zum Teil dem
deutschen Verfasser eigen sind. Ich kann mich in die Veraenderungen
selbst, die er mit seiner Urschrift gemacht, nicht naeher einlassen; aber
Personen von Geschmack, welchen diese nicht unbekannt war, wuenschten, dass
er die Nachbarin, anstatt des Vaters, beibehalten haette.--Die Rolle der
Agnese spielte Mademoiselle Felbrich, ein junges Frauenzimmer, das eine
vortreffliche Aktrice verspricht und daher die beste Aufmunterung
verdienet. Alter, Figur, Miene, Stimme, alles koemmt ihr hier zustatten;
und ob sich, bei diesen Naturgaben, in einer solchen Rolle schon vieles
von selbst spielet: so muss man ihr doch auch eine Menge Feinheiten
zugestehen, die Vorbedacht und Kunst, aber gerade nicht mehr und nicht
weniger verrieten, als sich an einer Agnese verraten darf.
Den sechsten Abend (mittwochs, den 29. April) ward die "Semiramis" des
Hrn. von Voltaire aufgefuehret.
Dieses Trauerspiel ward im Jahre 1748 auf die franzoesische Buehne
gebracht, erhielt grossen Beifall und macht in der Geschichte dieser Buehne
gewissermassen Epoche.--Nachdem der Hr. von Voltaire seine "Zaire" und
"Alzire", seinen "Brutus" und "Caesar" geliefert hatte, ward er in der
Meinung bestaerkt, dass die tragischen Dichter seiner Nation die alten
Griechen in vielen Stuecken weit uebertraefen. "Von uns Franzosen", sagt er,
"haetten die Griechen eine geschicktere Exposition und die grosse Kunst,
die Auftritte untereinander so zu verbinden, dass die Szene niemals leer
bleibt und keine Person weder ohne Ursache koemmt noch abgehet, lernen
koenn
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