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Bevor Teut sich an dem eben geschilderten Abend von Ange trennte,
erwirkte er auch Verzeihung fuer Tibet, der seit seiner Trennung von Ange
bei ihm in Eder sich aufgehalten und ihn auch nach Eisenach begleitet
hatte.
Ange aber schloss kein Ange in dieser Nacht. So unvorhergesehen, so
ploetzlich war alles ueber sie gekommen, so mit einem Schlage waren alle
Dinge veraendert, dass sie sich wiederholt an die Stirn griff; ob's denn
auch Wahrheit und kein Traum sei. Haltende, brennende Stroeme jagten
durch ihr Inneres. Die stille Liebe zu Teut hatte sich durch das
Wiedersehen in einen draengenden, stuermischen Fruehling verwandelt. Er war
an ihrer Seite und sie sollte ihn vielleicht wieder verlieren?
Als Ange am naechsten Morgen ihren Kindern mitteilte, Onkel Axel und
Tibet seien wieder da und wuerden an dem Weihnachtsfest teilnehmen,
erscholl lauter Jubel durchs Haus. Ben draengte sich an seine Mutter, als
sie allein war, und forschte in ihren Augen. "O ja, ja, Du bist wieder
froehlich! Ich sehe es!" presste er heraus und umhalste sie. Sie aber
legte die Hand auf sein Haupt und sah ihm forschend ins flammende Auge.
"Wusstest Du gar nichts von Onkel Axels Kommen? Gar nichts?" Ben bewegte
stumm den Kopf und presste die Lippen aufeinander. Und dann schoss
ploetzlich brennende Roete ueber sein Gesicht und mit raschem Anlauf
drueckte er seine Mama noch einmal an sich. "Nicht boese sein!" fluesterte
er und verschloss unter Kuessen ihren Mund.
Einen ruehrenden Anblick bot es, als Tibet am Mittag zum erstenmal wieder
die Schwelle des Hauses betrat. Ange war in der Kueche, als der Jubel zu
ihr drang. Als sie sich ihm naeherte, machte er eine tiefe, unsichere
Verbeugung und wartete, wie seine Herrin ihm begegnen wuerde.
"Willkommen, Tibet!" sagte Ange, trat auf ihn zu und legte tiefbewegt
ihre Hand in die seinige. "Alles ist vergessen. Und"--hier brach es aus
ihren Augen so heftig heraus, dass sich die Kinder unwillkuerlich
zurueckzogen--"vergeben Sie--auch mir!"
"O, Frau Graefin! Frau Graefin!" stotterte der Mann und neigte das Haupt.
Und der Festabend kam; Ange war aufgeblueht in ihrem Glueck. Sanfte Rosen
lagen auf ihren Wangen und ihre Augen glaenzten, als haetten
Diamanttropfen Sonnenstrahlen aufgesogen.
Sie trug dasselbe Kleid--sie hatte es bewahrt und nun hervorgesucht--,
das damals ihre Gestalt umschloss, als Teut Abschied nahm und in den
Krieg zog.
Auch eine vollbluehende Rose hatte sie sich zu verschaffen
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