"So duerfen Sie es nicht nennen," verteidigte er sich, obgleich er sich
getroffen fuehlte.
Es war wirklich ein wenig der Wunsch gewesen, ihr zu imponieren, der ihm
das Band unters Kinn gezogen hatte.
"Sehen Sie, es steckt ein Seemann in mir, und der macht sich in so
kleinen Aeusserlichkeiten Luft. Der unterdrueckte Seemann in mir."
Sie sah ihn von der Seite an. Er hatte wirklich nichts Seemaennisches,
wie er so neben ihr herstieg; diese eckige, hagere, hohe Figur, und das
Pincenez!
Aber er erzaehlte ihr, dass es sein groesster Wunsch gewesen waere, zur See
zu gehen, Kapitaen zu werden, aber dass ihn die Umstaende, vor allem seine
Kurzsichtigkeit, auf eine andere Bahn gedraengt haetten.
"Ein bebrillter Seemann, wie laecherlich!" rief er aus.
Aber dann entwarf er ein glaenzendes Bild von dem Leben eines Seemannes,
von seiner Freiheit, seinem Mut, seinem Heldentum, und er berauschte
sich an seinen grossen Worten.
"Sie, als Aristokratin, muessen mir das nachempfinden koennen, Komtesse,"
eiferte er. "Gibt es einen aristokratischeren Beruf als den des
Kapitaens."
Ihre Augen leuchteten ihn an. War das in ihm? Er hatte bisher keinen
heldenhaften Eindruck auf sie gemacht. Jetzt sprach er wie ein alter
Wikinger von Sturm und Kampf, und sie hoerte aus dem Klang seiner Stimme
den Ton echter Leidenschaft und Sehnsucht.
Er hatte das Sturmband nicht geloest. Sie freute sich darueber. Er war
wenigstens nicht eitel. Und er hatte Charakter, liess sich seine kleinen
Eigenheiten und Liebhabereien nicht einfach von einer absprechenden
Kritik wegblasen.
Und wie er so neben ihr ging, das scharfe Profil mit der etwas langen,
geraden Nase und dem runden festen Kinn halb von dem Muetzenschirm
beschattet, die breiten knochigen Schultern etwas hinaufgezogen, als
stemmten sie sich gegen eine unsichtbare Last, fand sie auf einmal, dass
er doch maennlicher aussehe, als wie er ihr bisher vorgekommen war. Sie
konnte sich ihn trotz der Brille recht gut auf der Kommandobruecke
denken, den Suedwester auf, oder die goldbordierte Muetze des Kommandeurs,
natuerlich mit dem Sturmband unterm Kinn.
Aber was daran so aristokratisch waere, fragte sie.
"Vor allem die Exklusivitaet seiner Stellung, seine absolute
Souveraenitaet. Er ist Herr ueber Leben und Tod. Alle Verantwortung traegt
er allein. Welch ein Gefuehl fuer einen Mann! Welch ein Kraft- und
Machtbewusstsein, welch ein Lebensbewusstsein! Und nehmen Sie dazu das
Meer. Im Sturm!
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