nehme an, dass er seine Rolle nicht einmal recht
verstehet, dass er die Gruende dieses Zornes weder hinlaenglich zu fassen,
noch lebhaft genug sich vorzustellen vermag, um seine Seele selbst in
Zorn zu setzen. Und ich sage; wenn er nur die allergroebsten Aeusserungen
des Zornes einem Akteur von urspruenglicher Empfindung abgelernet hat und
getreu nachzumachen weiss--den hastigen Gang, den stampfenden Fuss, den
rauhen, bald kreischenden bald verbissenen Ton, das Spiel der
Augenbraunen, die zitternde Lippe, das Knirschen der Zaehne usw.--wenn er,
sage ich, nur diese Dinge, die sich nachmachen lassen, sobald man will,
gut nachmacht: so wird dadurch unfehlbar seine Seele ein dunkles Gefuehl
von Zorn befallen, welches wiederum in den Koerper zurueckwirkt, und da
auch diejenigen Veraenderungen hervorbringt, die nicht bloss von unserm
Willen abhangen; sein Gesicht wird gluehen, seine Augen werden blitzen,
seine Muskeln werden schwellen; kurz, er wird ein wahrer Zorniger zu sein
scheinen, ohne es zu sein, ohne im geringsten zu begreifen, warum er es
sein sollte.
Nach diesen Grundsaetzen von der Empfindung ueberhaupt habe ich mir zu
bestimmen gesucht, welche aeusserliche Merkmale diejenige Empfindung
begleiten, mit der moralische Betrachtungen wollen gesprochen sein, und
welche von diesen Merkmalen in unserer Gewalt sind, so dass sie jeder
Akteur, er mag die Empfindung selbst haben, oder nicht, darstellen kann.
Mich duenkt folgendes.
Jede Moral ist ein allgemeiner Satz, der als solcher einen Grad von
Sammlung der Seele und ruhiger Ueberlegung verlangt. Er will also mit
Gelassenheit und einer gewissen Kaelte gesagt sein.
Allein dieser allgemeine Satz ist zugleich das Resultat von Eindruecken,
welche individuelle Umstaende auf die handelnden Personen machen; er ist
kein blosser symbolischer Schluss; er ist eine generalisierte Empfindung,
und als diese will er mit Feuer und einer gewissen Begeisterung
gesprochen sein.
Folglich mit Begeisterung und Gelassenheit, mit Feuer und Kaelte?--
Nicht anders; mit einer Mischung von beiden, in der aber, nach
Beschaffenheit der Situation, bald dieses, bald jenes hervorsticht.
Ist die Situation ruhig, so muss sich die Seele durch die Moral gleichsam
einen neuen Schwung geben wollen; sie muss ueber ihr Glueck oder ihre
Pflichten bloss darum allgemeine Betrachtungen zu machen scheinen, um
durch diese Allgemeinheit selbst, jenes desto lebhafter zu geniessen,
diese desto williger und mut
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