Fuenfzehn
Jahrhunderte lang beherrschten die Moenche diese Inseln sowie auch das
gegenueberliegende Festland, jetzt gilt ihre Fuersorge vor allem einem
Waisenhaus, das in dem Kloster errichtet wurde und in welchem die Knaben
verschiedene Gewerbe erlernen. In diesem Waisenhause befindet sich auch
eine Druckerei, in welcher alte kirchliche Werke neu edirt werden. So hat
die Druckerei von Lerin dem Papst Leo XIII. zu seinem Jubilaeum ein reich
verziertes Werk ueberreicht, welches das Magnificat in "hundertfuenfzig"
Sprachen enthielt.
Oestlich von der Insel St. Honorat liegt die kleine Felseninsel
St. Fereol. Waehrend die beiden groesseren Lerinischen Inseln durch Legende
und Geschichte wie mit einem Heiligenschein umgeben werden, bildete sich
eine seltsame, fast daemonische Mythe um St. Fereol aus. Es hiess, und heisst
noch vielfach, dass auf St. Fereol das Grab von Paganini sich befunden
habe. Diese Angabe ist in franzoesischen Werken verbreitet. Sie fuehren an,
Paganini sei in Nizza, im Mai 1840, an der Cholera verschieden; sein Sohn
Achille habe die Leiche auf einem Schiffe nach Genua gefuehrt, um den Vater
an dessen Geburtsorte zu bestatten. Die Geistlichkeit verweigerte aber das
Begraebniss dem Manne, von dem es hiess, er habe sich dem Satan verschrieben.
Auch das Municipio liess die Ausschiffung des Koerpers wegen Choleragefahr
nicht zu. So versuchte der Sohn in Marseille zu landen, doch wieder ohne
Erfolg. Als er auch in Cannes abgewiesen wurde, entschloss er sich, den
Sarg des Nachts auf die kleine unbewohnte Insel zu bringen und dort, von
Stuermen oft umbraust, hat der Todte fuenf Jahre lang gelegen. Erst im Mai
1845 kehrte der Sohn wieder, nachdem es ihm gestattet worden war, den
Vater zu begraben an der Kirche von Gajona bei Parma, unfern der Villa,
die Paganini dort erworben hatte. Diese Erzaehlung kam mir schon einmal in
den Sinn, als ich in dem herrlichen _Pallazzo Doria Tursi_, dem jetzigen
_Palazzo del Municipio_ in Genua, die Geige Paganinis sah. Das war in den
Tagen der Columbianischen Feste, wo die Mitglieder der wissenschaftlichen
Congresse im Municipio durch den Sindaco empfangen wurden. Die Geige, eine
Guarneri, der einst Paganini daemonische Toene zu entlocken gewusst, bewahrt
man wie eine Reliquie in einem kostbaren Schrein; man hatte sie zu dem
Feste mit seidenen Baendern in den italienischen Farben geschmueckt. Daran
dachte ich jetzt, da ich die kleine Insel St. Fereol vor mir im Meere
liegen sah.
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