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vor schon gesehen. Doch wo und wann? das
wusste ich nicht mehr zu finden. Da ploetzlich, sah ich es ganz lebhaft
wieder vor mir, das alte Bild, so wie ich es mit Kinderaugen geschaut
hatte. Es war ein gemaltes Bild von Neapel in einem kleinen Panorama, das
ich am Weihnachtsabend einst bekommen hatte. Hielt ich es gegen ein Licht,
dann leuchteten unzaehlige Flammen in Neapel auf und erregten meine
kindliche Phantasie. Es waren Nadelstiche, welche das Bild durchsetzten.
Wie in jenem Bilde Camaldoli ueber Neapel, so ragte hier die Tete de Chien
ueber Monte Carlo hervor; und wie die Lichter am Posilip, so stiegen hier
die leuchtenden Punkte am Felsen von Monaco in die Hoehe. Wie stark sind
doch solche Eindruecke der Kindheit! Was hat nicht Alles dieses geplagte
Hirn seitdem in sich aufnehmen muessen, und doch war das alte Bild nur
verdeckt, nicht ausgeloescht, und tauchte wieder auf, als ein aeusserer
Anstoss es zum Bewusstsein brachte.
Dort, wo das Cap Martin die breite Kueste erreicht, ist es mit schoenen
alten Oelbaeumen bedeckt. Da sind sie wieder da, diese phantastisch
verschnoerkelten Staemme, von denen keiner dem andern gleicht. Sie werden um
so maechtiger und schoener an dieser Kueste, je weiter man sich vom Esterel
entfernt. Welch ein Unterschied zwischen den armseligen Baeumen der
Rhonemuendung und jenen Riesen hier, die ihre Kronen stolz in die Luefte
erheben. So muss man sie gesehen haben, um sie zu wuerdigen und sie zu
lieben; auch ist die Lichtfuelle dieser sonnigen Gegenden noethig, damit ihr
Laub nicht grau und traurig, sondern silbern und leuchtend erscheine.
Daher der Olivenwald ein hoechst stimmungsvolles Element dieser Landschaft
bildet. Da die Blaetter des Oelbaumes nicht gross sind und seine Belaubung
nie dicht wird, so herrscht im Olivenwalde ein Zwielicht von ganz eigenem
Zauber. Jeder Windhauch bewegt dieses Laub, und dann zittern die einzelnen
Lichter auf den Baeumen, sie huschen wie Leuchtkaefer ueber den Boden, und es
belebt sich ploetzlich die Einsamkeit.
Trotz seiner scheinbar exponirten Lage ist das Cap Martin gegen die
Nordwinde und den Mistral sehr gut gedeckt und nur den Ostwinden
preisgegeben. Dass die hohen Berge im Norden und im Westen das Cap
erfolgreich gegen Kaelte schuetzen, hat der letzte strenge Winter gelehrt.
Es lag fast kein Schnee auf dem Cap, waehrend er Mentone deckte, und weder
Bougainvillea noch Heliotrop haben an dem Hotel du Cap gelitten. Die
Pflanzen sind aber die sich
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