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Morgens die Seebrise sich zu erheben. Dann wird es meist kuehler als zuvor.
Nach Anbruch der Nacht faellt dann die Luft von den Bergen ab, der Landwind
stellt sich ein. Zwischen den Zeiten der beiden Winde herrscht oft voellige
Ruhe. Die italienischen Fischer bezeichnen sie als "_bonaccia_", weil sie
die wenigste Gefahr in sich birgt. - Auffaellig ist es dem Fremden, wenn
gegen das Fruehjahr der sonst so heisse Scirocco an der Riviera von Schnee
begleitet ist. Es geschieht das freilich selten, kann aber erfolgen, wenn
auf den hohen corsicanischen Bergen sich grosse Schneemassen anhaeuften.
Auf der ganzen Strecke von Villefranche bis San Remo sieht man fast keine
laubwerfenden Baeume. Daher man hier weit weniger an den Winter gemahnt
wird, als weiter im Sueden, ja selbst in Neapel. Dort dominirt der
Feigenbaum und der Weinstock, so dass der Posilip uns einmal im Maerz fast
kahler erschien, als das Rheinthal, das wir kurz zuvor verlassen hatten.
Die Naechte waren jetzt vom Mondschein erhellt, und die Berge glaenzten in
magischer Beleuchtung: Ein maechtiges Amphitheater, dessen scharf gezaehnte
Gipfel sich wie feine Spitzenarbeit vom Himmel abhoben, in welchem tief
unten die Lichter von Mentone funkelten.
Dieser Vollmond sollte uns Ostern bringen. Wir gingen des Abends an den
Strand, um ihn zu erwarten. Es war ganz dunkel auf den Felsen am Meere,
einsam und still. Flach ausgebreitet lag vor uns die weite See und schien
fast zu schlafen. Oben breitete sich das Himmelsgewoelbe aus, fast schwarz,
doch besaeet mit ungezaehlten Sternen, die sich mit silbernen Streifen auch
im Meere spiegelten. Es schien, als sei die Natur gespannt auf ein
Ereigniss, das da kommen sollte: so still und feierlich war es rings umher.
Kein Grashalm erzitterte. Die Kiefern streckten aber ihre Kronen vor nach
der See, als wollten sie weit ueber die Fluthen hinaus in die Ferne
lauschen. Die wuerzigen Duefte der Maquis senkten sich langsam zur See
hinab, wohl um ihr duftigen Weihrauch zu streuen. Vielleicht war aber nur
unsere Seele von Erwartung voll, und wir trugen diese Empfindung hinaus in
die weite Welt. - Ploetzlich tauchte ein rother Streifen im Osten ueber dem
Wasser empor. Er nahm an Breite zu und bald warf er den ersten leuchtenden
Strahl ueber die schwarze Fluth: es war, als wolle er sie liebkosen. Die
Fluth erzitterte unter diesem Strahl und legte sich in sanfte Wellen, wohl
um ihn einzuwiegen. Der Mond tauchte ganz aus dem Meere herv
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