es Argens auch von dem Maurengebirge getrennt. Noch zu Anfang dieses
Jahrhunderts wagte man sich nur mit Schrecken in das Esterel hinein, jetzt
wandelt man in demselben sicherer als in den Anlagen mancher grossen Stadt.
- Unser erster Besuch sollte dem hoechsten Punkt des Gebirges, dem Mont
Vinaigre gelten, dessen Gipfel sich 616 Meter hoch ueber den Meeresspiegel
erhebt. Wir hofften von dieser Hoehe das ganze Esterel zu ueberblicken und
wollten dort unseren Plan fuer weitere Ausfluege entwerfen. - Wir brachen
von St. Raphael auf, als der Morgen graute. Der Weg fuehrte gegen Norden
zunaechst nach Valescure. Dort am Abhang der Berge, in dem kuehlen Walde,
pflegten schon roemische Familien den Sommer zu verbringen, wenn die Hitze
des Tages in Forum Julii unertraeglich wurde. _Vallis curans_, das Thal,
welches Genesung bringt, muss, wie sein Name sagt, als besonders gesunder
Aufenthaltsort gegolten haben. Diesen alten Ruf moechte man auch heute noch
ausnutzen und durch den verheissungsvollen Klang des Namens neue Bewohner
hier anlocken. Man wandert in Valescure auf fertig angelegten Strassen,
"_Grands Boulevards_" mit hochtoenenden Namen; der Wald ist in Parkanlagen
verwandelt; grosse Hotels hoffen auf Gaeste, Musikpavillons warten auf
Musikanten. Doch die Besucher bleiben noch aus. Woher auch sollen sie
kommen, diese Millionaere, um allen Grundstueckspeculanten zu Gefallen die
ganze Riviera von Toulon bis Ventimiglia mit Villen zu bedecken? Mit dem
Augenblick, wo der Bau der Suedbahn beschlossen war, bemaechtigten sich
Actiengesellschaften aller Punkte am Strande, die durch schoene Aussicht
aller Punkte auf der Hoehe, die durch gesunde Lage, Kiefernadelduft, oder
sonst welche Vorzuege sich auszeichnen. Auch in St. Aigulf drueben im
Maurengebirge ist der Wald schon parcellirt, laufen "_Grands Boulevards_"
durch denselben und sind nicht allein mit schoenen Namen, sondern auch mit
Laternen versehen. Den Laternen freilich fehlen die Scheiben; gebrannt hat
noch keine; manche warf der Sturm, manche auch Menschenhand schon um; nun
liegen sie da und rosten, ein trauriges Bild des Todes dort, wo niemals
Leben war. Dazwischen in moeglichst auffaelliger Stellung grosse Tafeln mit
bunten Inschriften und Plaenen, die zum Ankauf der Grundstuecke verlocken
sollen. - Wird Valescure jemals gedeihen? Es ist wohl moeglich - einen
Anfang von Erfolg hat es schon zu verzeichnen: "_La nature severe et
riante, l'odeur des pins agreable et salutaire_
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