unfasslich ist, wenn sie nicht auf schamloser Heuchelei
beruht. Dieses Gebilde ist aus Sinnenlust entstanden und wird in
Sinnenlust genossen ... ist dies wahr oder nicht? Antworten Sie;
antworten auch Sie, Herr Bluethenzweig!"
Eine Pause trat ein. Hieronymus schien allen Ernstes eine Antwort zu
verlangen und blickte mit seinen leidenden und durchdringenden Augen
abwechselnd auf die beiden Verkaeufer, die ihn neugierig und verdutzt
anstarrten, und auf Herrn Bluethenzweigs runden Ruecken. Es herrschte
Stille. Nur der gelbe Herr mit dem schwarzen Ziegenbart liess, ueber die
franzoesischen Zeichnungen gebeugt, sein meckerndes Lachen vernehmen.
"Es _ist_ wahr!" fuhr Hieronymus fort, und in seiner belegten Stimme
bebte eine tiefe Entruestung ... "Sie wagen nicht, es zu leugnen! Wie
aber ist es dann moeglich, den Verfertiger dieses Gebildes im Ernste zu
feiern, als habe er der Menschheit ideale Gueter um eines vermehrt? Wie
ist es dann moeglich, davor zu stehen, sich unbedenklich dem schnoeden
Genuesse hinzugeben, den es verursacht, und sein Gewissen mit dem Worte
Schoenheit zum Schweigen zu bringen, ja, sich ernstlich einzureden,
man ueberlasse sich dabei einem edlen, erlesenen und hoechst
menschenwuerdigen Zustande? Ist dies ruchlose Unwissenheit oder
verworfene Heuchelei? Mein Verstand steht still an dieser Stelle ...
er steht still vor der absurden Tatsache, dass ein Mensch durch die
dumme und zuversichtliche Entfaltung seiner tierischen Triebe auf
Erden zu hoechstem Ruhme gelangen kann!... Schoenheit ... Was ist
Schoenheit? Wodurch wird die Schoenheit zutage getrieben und worauf
wirkt sie? Es ist unmoeglich, dies nicht zu wissen, Herr Bluethenzweig!
Wie aber ist es denkbar, eine Sache so sehr zu durchschauen und
nicht angesichts ihrer von Ekel und Gram erfuellt zu werden? Es ist
verbrecherisch, die Unwissenheit der schamlosen Kinder und kecken
Unbedenklichen durch die Erhoehung und frevle Anbetung der Schoenheit
zu bestaetigen, zu bekraeftigen und ihr zur Macht zu verhelfen, denn sie
sind weit vom Leiden und weiter noch von der Erloesung! ...Du blickst
schwarz, antworten Sie mir, du, Unbekannter. Das Wissen, sage ich
Ihnen, ist die tiefste Qual der Welt; aber es ist das Fegefeuer, ohne
dessen laeuternde Pein keines Menschen Seele zum Heile gelangt.
Nicht kecker Kindersinn und ruchlose Unbefangenheit frommt, Herr
Bluethenzweig, sondern jene Erkenntnis, in der die Leidenschaften
unseres eklen Fleisches hinsterben und ver
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