eralda aufsteigt, schienen mir die Cerros de Sipapo die hoechsten in der
ganzen Cordillere der Parime. Sie bilden eine ungeheure Felsmauer, die
schroff aus der Ebene aussteigt und deren von Sued Sued Ost nach Nord Nord
West gerichteter Kamm ausgezackt ist. Ich denke, aufgethuermte Granitbloecke
bringen diese Einschnitte, diese Auszackung hervor, die man auch am
Sandstein des Montserrat in Catalonien beobachtet. Jede Stunde war der
Anblick der Cerros de Sipapo wieder ein anderer. Bei Sonnenaufgang gibt
der dichte Pflanzenwuchs den Bergen die dunkelgruene, ins Braeunlichte
spielende Farbe, wie sie Landstrichen eigen ist, wo Baeume mit lederartigen
Blaettern vorherrschen. Breite, scharfe Schatten fallen ueber die anstossende
Ebene und stechen ab vom glaenzenden Licht, das auf dem Boden, in der Luft
und auf der Wasserflaeche verbreitet ist. Aber um die Mitte des Tages, wenn
die Sonne das Zenith erreicht, verschwinden diese kraeftigen Schatten
allmaehlig und die ganze Kette huellt sich in einen leisen Dust, der weit
satter blau ist als der niedrige Strich des Himmelsgewoelbes. In diesem um
den Felskamm schwebenden Dust verschwimmen halb die Umrisse, werden die
Lichteffekte gedaempft, und so erhaelt die Landschaft das Gepraege der Ruhe
und des Friedens, das in der Natur, wie in den Werken CLAUDE LORRAINs und
POUSSINs, aus der Harmonie zwischen Form und Farbe entspringt.
Hinter diesen Bergen am Sipapo lebte lange Cruzero, der maechtige Haeuptling
der Guaypunabis, nachdem er mit seiner kriegerischen Horde von den Ebenen
zwischen dem Rio Irinida und dem Chamochiquini abgezogen war. Die Indianer
versicherten uns, in den Waeldern am Sipapo wachse in Menge der _'Vehuco de
Maimure'_. Dieses Schlinggewaechs ist den Indianern sehr wichtig, weil sie
Koerbe und Matten daraus verfertigen. Die Waelder am Sipapo sind voellig
unbekannt, und die Missionaere versetzen hieher das Volk der _'Rayas'_,(52)
"die den Mund am Nabel haben." Ein alter Indianer, den wir in Carichana
antrafen und der sich ruehmte oft Menschenfleisch gegessen zu haben, hatte
diese kopflosen Menschen "mit eigenen Augen" gesehen. Diese abgeschmackten
Maehrchen haben sich auch in den Llanos verbreitet, und dort ist es nicht
immer gerathen, die Existenz der Rayas-Indianer in Zweifel zu ziehen. In
allen Himmelsstrichen ist Unduldsamkeit die Gefaehrtin der
Leichtglaeubigkeit, und man koennte meinen, die Hirngespinnste der alten
Erdbeschreiber seyen aus der einen Halbkugel in die
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