ruchbar ward,
erscholl der Notschrei der geaengstigten Produzenten weithin durch das
Land. Leidenschaftliche Eingaben der Baumwoll- und Kattunfabrikanten aus
Schlesien und Berlin, die doch allesamt unter der bestehenden Unordnung
schwer litten, bestaetigten die alte Wahrheit, dass die Selbstsucht der
Menschen der schlimmste Feind ihres eigenen Interesses ist. Der Laerm ward
so bedrohlich, dass der Koenig fuer noetig hielt, zunaechst eine
Spezialkommission mit der Pruefung dieser Vorstellungen zu beauftragen.
Hier errang die alte friderizianische Schule noch einmal die Oberhand. Der
Vorsitzende, Oberpraesident v. Heydebreck, betrachtete als hoechste Aufgabe
der Handelspolitik "das Numeraire dem Lande zu konservieren"; die Mehrheit
beschloss, der Krone die Wiederherstellung des Verbotsystems, wie es bis
zum Jahre 1806 bestanden, anzuraten. Aber zugleich mit diesem Bericht ging
auch ein geharnischtes Minderheitsgutachten ein, verfasst von Staatsrat
Kunth, dem Erzieher der Gebrueder Humboldt, einem selbstbewussten Vertreter
des altpreussischen Beamtenstolzes, der das gute Recht der Bureaukratie
oftmals gegen die aristokratische Geringschaetzung seines Freundes Stein
verteidigte. Mit den Zustaenden des Fabrikwesens aus eigener Anschauung
gruendlich vertraut, lebte und webte er in den Gedanken der neuen
Volkswirtschaftslehre. "Eigentum und Freiheit, darin liegt alles; es gibt
nichts anderes" -- so lautete sein Kernspruch. Als das aergste Gebrechen der
preussischen Industrie erschien ihm die erstaunlich mangelhafte Bildung der
meisten Fabrikanten, eine schlimme Frucht des Uebergewichts der gelehrten
Klassen, welche nur durch den Einfluss des auswaertigen Wettbewerbs
allmaehlich beseitigt werden konnte; waren doch selbst unter den ersten
Fabrikherren Berlins viele, die kaum notduerftig ihren Namen zu schreiben
vermochten.
Kunths Gutachten fand im Staatsrate fast ungeteilte Zustimmung; es liess
sich nicht mehr verkennen, dass die Aufhebung der Handelsverbote nur die
notwendige Ergaenzung der Reformen von 1808 bildete. Als das Plenum des
Staatsrats am 3. Juli ueber das Zollgesetz beriet, sprachen die politischen
Gegner Gneisenau und Schuckmann einmuetig fuer die Befreiung des Verkehrs.
Oberpraesident Merckel und Geh. Rat Ferber, ein aus dem saechsischen Dienste
heruebergekommener trefflicher Nationaloekonom, fuehrten aus, dass dem
Notstande des Gewerbefleisses in Schlesien und Sachsen nur durch die
Freiheit zu begegnen sei; und
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