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cht nur in ihrer Haltung und ihren Bewegungen,
sondern auch in ihrer Gespraechsweise, obgleich sie es zuweilen verstand,
mit grosser Feinheit und scharfem, geistvollem Urtheil an der
Unterhaltung ueber die ernstesten Gegenstaende der Politik oder der
Wissenschaft Theil zu nehmen.
Neben ihr sass Fraeulein Dosne, ihre Schwester, nicht viel juenger als sie
und ihr unverkennbar aehnlich, obwohl ihre ganze Erscheinung weniger
bedeutend, weniger sicher und noch mehr kalt und zurueckhaltend war.
Beide Damen trugen einfache Toiletten von schwarzer Seide und kleine
hellblaue Bandschleifen und waren mit einer Tapisseriearbeit
beschaeftigt.
In einiger Entfernung von dem Tisch, vor welchem sie sassen und auf dem
eine grosse Moderateurlampe mit dunkelblauem, flachem Glasschirm brannte,
sass in einem grossen Lehnstuhl fast verschwindend, der beruehmte
Staatsmann, welcher lange Zeit das parlamentarische Leben Frankreichs
beherrscht hatte und dessen constitutionelles Wechselspiel mit Herrn
Guizot einst den Mittelpunkt des Interesses Europa's bildete.
Seine kleine, fast zwerghafte Gestalt war grade aufgerichtet gegen die
hohe Ruecklehne seines Sessels gestuetzt; die beiden Arme lagen auf den
Seitenlehnen, der Kopf war ein wenig herabgesunken, und das Kinn begrub
sich fast in den Falten seiner hohen, blendend weissen Halsbinde. Das
runde, sonst so bewegliche Gesicht mit der unter den abwaerts gekaemmten,
weissen Haaren scharf hervortretenden, hoch gewoelbten Stirn, der feinen
Nase und dem breiten, fast immer halb gutmuethig, halb sarkastisch
laechelnden Munde,--dies Gesicht, welches sonst den reichen Redestrom des
gelehrten Doctrinaers mit so ausdrucksvollem, bewegtem Mienenspiel
begleitete,--war unbeweglich und still. Die Augen, welche sonst so
scharf und fein und so wohlwollend freundlich zugleich blickten, waren
geschlossen.--Herr Thiers schlief, wie er stets nach Tische zu thun
pflegte, und es war ein still schweigendes Uebereinkommen unter allen
Besuchern dieses einst so glaenzenden, in der Kaiserzeit mehr und mehr
vereinsamten Salons, den Schlaf des alten Herrn nicht zu stoeren.
Herr Hansen trat mit leisem Schritt in den zweiten Salon, gruesste Madame
Thiers und Fraeulein Dosne mit schweigender Verbeugung, welche die Damen
ebenfalls schweigend mit liebenswuerdiger Artigkeit, aber mit einem
leichten Seitenblick nach dem Lehnstuhl des Herrn Thiers erwiderten und
zog sich dann wieder in das erste Zimmer zurueck.
Er naehert
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