Kaiser soeben einen Brief an Ollivier geschrieben hat, in welchem er ihm
sagt, dass er ein Plebiscit fuer noethig halte, um die von dem Senat und
Gesetzgebenden Koerper genehmigte Veraenderung der Verfassung des
Kaiserreichs nunmehr zu sanctioniren. Die fruehere Verfassung sei durch
den allgemeinen Volkswillen festgestellt und es muesse derselbe daher
auch den gegenwaertigen Abaenderungen derselben seine definitive
Zustimmung geben."
"Und was sagt Ollivier?" fragte Herr Thiers sehr ernst, waehrend die
uebrige Gesellschaft naeher herantrat und mit Spannung dem Gespraech
folgte.
"Ollivier," erwiderte Graf Daru, "hat sich vollkommen die Ideen des
Kaisers angeeignet und findet die Berufung auf das Plebiscit vollkommen
natuerlich. Ich meinerseits," fuhr er mit einer gewissen Bitterkeit
fort, "sehe darin nur die Rueckkehr zu dem Grundsatz, dass das persoenliche
Regiment, auf den Willen der Masse gestuetzt, sich von Neuem ueber die
Verfassung und ueber das Votum der legalen Repraesentanten der Nation zu
stellen beabsichtigt. Wo ist ueberhaupt noch eine Sicherheit fuer die
oeffentlichen Zustaende, wenn Alles, was geschieht, jedesmal von einem
solchen Plebiscit abhaengig gemacht werden soll, das ja im Grunde doch
nur eine Komoedie ist und gegenueber einer starken Regierung immer nach
deren Ansichten ausfallen wird, da ja Diejenigen, welche nicht zustimmen
moegen, sich nicht den bedenklichen Folgen eines negativen Votums
auszusetzen Lust haben werden."
"Das ist ein eigenthuemlicher Schachzug," sagte Herr Thiers nachdenklich.
"Aber ich moechte Sie doch noch einmal fragen, mein lieber Freund, wie
steht es mit der auswaertigen Politik, denn dieses Plebiscit scheint mir
mehr im Zusammenhang damit zu stehen, als mit den innern Verhaeltnissen.
Wie stehen Sie mit Preussen?"
"Kalt und misstrauisch," erwiderte Graf Daru, "aber es liegt auch
durchaus keine Veranlassung zu irgend einer Differenz vor, da von beiden
Seiten die Eroerterung aller Punkte, welche dahin fuehren koennten,
sorgfaeltig vermieden wird. Man hat von englischer Seite versucht, auf
eine gegenseitige Verminderung der militairischen Ruestungen hin zu
wirken, doch natuerlich vergeblich--in Berlin hat man selbst die blosse
Eroerterung dieses Punktes ziemlich kurz zurueckgewiesen."
"Und Sie," fragte Herr Thiers, indem er mit einem listigen Blick zu Graf
Daru hinaussah, "werden doch wahrscheinlich auch nicht geneigt sein, die
Militairmacht Frankreichs ernstlich zu ver
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