steht, aber er muss sehr unzufrieden sein mit dem Gang der
auswaertigen Politik, welche nach seinen Ideen im Jahre 1866 eine ganz
andere Richtung haette nehmen muessen."
Herr Thiers hatte die letzten Worte mehr zu sich selber, als zum General
Changarnier gesprochen. Seine Stimme war immer leiser geworden, er
blickte, wie seinen Gedanken folgend, einige Augenblicke schweigend zu
Boden.
Die uebrige Gesellschaft hatte sich allmaelig ebenfalls mehr und mehr nach
dem zweiten Salon hingezogen, nachdem Herr Thiers seinen Schlummer
beendet und wieder an der Unterhaltung Theil zu nehmen begonnen.
Herr Mignet trat heran und begruesste den Hausherrn mit ehrerbietiger
Herzlichkeit.
"Man erzaehlt mir," sagte er, "dass Sie sich mit einem grossen Werk ueber
die Philosophie der Geschichte beschaeftigen--der Inhalt wird fuer jeden
Historiker von grossem Interesse sein. Wird die literarische Welt bald
Etwas davon zu sehen bekommen?"
"Das wird davon abhaengen," sagte Herr Thiers laechelnd, "wie bald ich
mein Leben und damit meine Thaetigkeit beenden werde, denn ich bin
entschlossen, die Kritik dieses Werkes, das bald beendet ist, nicht
lebend ueber mich ergehen zu lassen, und dasselbe erst dann dem Publikum
zu uebergeben, wenn ich selbst der Beurtheilung der irdischen Welt
entzogen sein werde. Denn," fuhr er fort, "ich will in diesem Werk ueber
sehr viele Dinge ganz ohne alle Ruecksicht die Wahrheit sagen, und das
koennte mir vielleicht viele Feinde machen, mit denen ich mich in der
friedlichen Musse meines Lebensabends nicht mehr zu streiten Neigung
habe. Ich glaube," fuhr er fort, "dass die gegenwaertige Welt einen
gewissen Mangel an gesundem Menschenverstand besitzt. Da ich nun sehr
lange gelebt und sehr Vieles gesehen und gelernt habe, so will ich ueber
Alles das meine Meinung sagen, gerade so, als ob ich einen Sohn haette,
dem ich in einem Testament meine letzten Rathschlaege ertheile, um die
reichen Erfahrungen meines Lebens fuer ihn nuetzlich zu machen. Der Himmel
hat mir Kinder versagt," sagte er mit einem wehmuethig freundlichen
Laecheln,--"so will ich denn ganz Frankreich und die ganze gebildete
Welt als meinen Sohn betrachten. Vielleicht kann ich dadurch noch nach
meinem Tode ein wenig nuetzlich sein. Gedulden Sie also Ihre Neugier noch
kurze Zeit, denn ich werde ja wahrscheinlich nur noch kurze Zeit zu
leben haben."
"Herr Graf Daru!" rief der Kammerdiener.
Herr Thiers ging seinem alten Bekannten, welcher jetzt d
|