der Menschheit, indem ich meinem Volke lebe. Ich kann gar
nicht anders! ich kann nicht die Haut abstreifen, darin ich geboren bin.
Gotisch denk' ich, in gotischen Worten, nicht in einer allgemeinen Sprache
der Menschheit; die giebt es nicht. Und wie ich nur gotisch denke, kann
ich auch nur gotisch fuehlen. Ich kann das Fremde anerkennen, o ja. Ich
bewundre eure Kunst, euer Wissen, zum Teil euren Staat, in welchem alles
so streng geordnet ist.
Wir koennen vieles von euch lernen - aber tauschen koennt' ich und moecht'
ich mit keinem Volk von Engeln. Ha, meine Goten! Im Grund des Herzens sind
mir ihre Fehler lieber als eure Tugenden."
"Wie ganz anders empfinde ich, und bin doch ein Roemer!"
"Du bist kein Roemer! vergieb, mein Freund, es giebt schon lange keine
Roemer mehr. Sonst waer ich' nicht der Seegraf von Neapolis! So wie du kann
nur empfinden, wer eigentlich kein Volk mehr hat. So wie ich muss jeder
fuehlen, der eines lebendigen Volkes ist."
Julius schwieg eine Weile. "Und wenn dem so ist, - wohl mir! Heil, wenn
ich die Erde verloren, den Himmel zu gewinnen. Was sind die Voelker, was
ist der Staat, was ist die Erde? Nicht hier unten ist die Heimat meiner
unsterblichen Seele! Sie sehnt sich nach jenem Reiche, wo alles anders ist
als hier."
"Halt ein, mein Julius," sprach Totila, stehen bleibend, die Lanze auf den
Boden stossend. "Hier, auf Erden, hab' ich festen Grund, hier lass mich
stehn und leben, hier nach Kraeften das Schoene geniessen, das Gute schaffen
nach Kraeften. In deinen Himmel kann und will ich dir nicht folgen. Ich
ehre deine Traeume, ich ehre deine heilge Sehnsucht - aber ich teile sie
nicht. Du weisst," fuegte er laechelnd hinzu, "ich bin ein Heide,
unverbesserlich, wie meine Valeria - unsere Valeria. Zur rechten Stunde
denk' ich ihrer. Deine erdenfluecht'gen Traeume liessen uns am Ende des
Liebsten auf Erden vergessen. Sieh, wir sind zur Stadt zurueckgekommen, die
Sonne sinkt so rasch hier im Sueden und ich soll noch vor Nacht die
bestellten Saemereien in den Garten des Valerius bringen. Ein schlechter
Gaertner," laechelte er, "der seiner Blume vergaesse. Leb wohl - ich biege
rechts hinab."
"Gruesse mir Valeria. Ich gehe nach Hause, zu lesen."
"Was liesest du jetzt? Noch Platon?"
"Nein, Augustinus. Lebe wohl!"
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Rasch eilte Totila durch die Strassen der Vorstadt, die belebteren Teile
der Innenstadt meidend, nach der Porta
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